© Martin Spreiter 2016
Eine Reise hat ihren eigenen Lauf
Er will, dass wir ihm folgen
Er will uns vieles lehren über uns
Über unsere Schatten
Über unsere Visionen
Über unser Sein
Er will uns zurück bringen
zu dem Mensch der wir immer waren
und der wir immer sein werden
7 Jahre ist es mittlerweile schon her, doch diese Erfahrung bleibt
alles kam anders und am Schluss doch perfekt
Es war die Zeit, als Hape Kerkeling´s „Ich bin dann mal weg“ aktuell war. Dieses Buch inspirierte mich, und
mir war klar, dass auch ich sowas machen muss. Nur, den ausgehatschten Jakobsweg den muss ein
Individualist wie ich natürlich durch einen anderen Weg ersetzen.
Die Alpen, die sind was für meiner Mutter ihren Bub. Und als Ziel muss mindestens der Großglockner
her, wenn nicht sogar der Mont Blanc.
So setz ich mich in den Zug nach Triest. Den „Stein der Feigheit“, Zelt, Schlafsack und Benzinkocher im
Gepäck, und schon bei der Ankunft in der Hafenstadt ist mir klar, dass diese Reise ganz anders wird.
Nachdem der Zug kaputt gegangen ist, und sich die Fahrt in die Nacht hinein zieht, begrüßen mich
Blitz, Donner und Wolkenbruch am Bahnhof. Danke. Trotzig mach ich mich auf den Weg hinunter zum Meer
um meinen „Stein der Feigheit“ abzulegen. Ich bin mir in vielen Situationen zu feige und das soll sich ändern.
…
Das Meer finde ich mit den vielen Hafenverbauungen nicht, und so ist halt eine Parkbank das Meer.
Wie ich endlich patschnass bis auf die Haut bin, hört das Unwetter auf. Doch die Leute in Triest sind alle
super drauf, und ich glaub das ist die heimliche Hauptstadt der Liebe. Doch ich lass mich nicht aufhalten, ich
hab ja ein ehrgeiziges Ziel. So wandere ich - ach was, ich schleppe und verfluche meinen Tonnen schweren
Rucksack - tagein tagaus. Jeden Tag gibt es ein liebes Geschenk von oben - ja ein heftiges Donnerwetter. So
dauert es auch nicht lange bis mein sorgfältig ausgewähltes Kartenmaterial nur noch graues unlesbares
Papier ist. Schmerzen sind mein Dauerbegleiter. Und jeden Tag gibt es einmal Angst. Manchmal sogar richtig
heftige Todesangst. Wer schon einmal ein Gewitter im Hochgebirge mitgemacht hat, weiß von was ich rede.
Links und rechts schlagen die Blitze unter schallendem Donnerschlag ein, und ich schaue, dass ich so schnell
wie möglich dem Grad entfliehen kann. Die misserable Beschilderung in den Bergen Sloweniens sorgt dafür,
dass ich mich wieder und wieder verlaufe.
Tatsächlich steh ich nun bei strahlendem Sonnenschein, vor einem Berg, über den ich nach Österreich
gelangen will. Doch je höher ich steige, desto mehr zieht sich der Himmel zu. Und die Wolken drücken immer
weiter nach unten. Irgendwann gehe ich in den Wolken, und zu meiner sich in Grenzen haltenden Freude,
fällt daraus Schnee. Stundenlang irre ich dort Oben umher und versuche verzweifelt einen Übergang nach
Österreich zu finden. Und was muss ich in einer kleinen Wolkenlücke entdecken? Es geht nahezu senkrecht
die Wand hinunter. Also wieder zurück. Ich erinnere mich an eine kleine Hütte, zu der will ich hin, hab keinen
Bock dort oben im Schnee mein Zelt aufbauen. An der Hütte angekommen hören meine Ohren einen
entzückenden Klang. Kuhglocken. Österreich! Juhuuuu! Ich gehe schnurstracks dem edlen Sound entgegen,
klettere über einen Zaun, und fühl mich wie im gelobten Land angekommen. Bald stehe ich vor einem Weg.
Links oder Rechts - das ist hier die Frage. Ich entscheide mich für bergab, und bin mir sicher, das das bei
meinem Glück falsch ist. Einen Kilometer später steh ich vor einem Kuhstall. Ende des Weges. Volltreffer! Für
solch schöne Momente im Leben habe ich meinen Tabaksbeutel dabei. Wie ich so genüsslich einen Zug
nehme lichtet sich kurz der Nebel, und ich sehe etwas unterhalb eine kleine Hütte. Wo eine Hütte - da auch
ein Weg! Querfeldein zu Hütte. Ein leutend gelbes Schild empfängt mich dort. Zivilisation Du hast mich
wieder. Es ist schon fast dunkel als mich an einem Forsthaus unten im Tal zwei Hunde angehen. Mit aller
Mühe kann sie der junge Förster von mir losreißen, und als er mich fragt ob ich auf diesen Schreck ein Bier
will, bin ich fast schon froh über die Hundeattacke. Er läd mich gleich in sein Haus ein, und bietet mir an mich
zu duschen, und meine nasse Kleidung in den Trockner zu werfen. Dazu noch einen Jogginganzug von ihm,
und als ich aus der Brause komm, steht Gulasch auf dem Tisch. Heimatland was willst Du mehr! Doch
bekanntlich bleibt ja nichts so wie es ist, und Hubert der Förster dreht nach ein paar Bier und ein paar Joints
völlig ab. Als gegen 2Uhr morgens der Trockner meine Wäsche wieder ausspuckt sagt alles in mir „nix wie
weg hier“. Den Hubert stört´s Gott sei dank nicht, und gibt mir sogar noch a Brotzeit mit auf den Weg.
Draußen hat sich das Klima inzwischen geändert, und eine warme Luftströmung zieht durch die Nacht. Ich
pack eine halbe Stunde weiter meine Isomatte und den Schlafsack aus und leg mich an den Wegesrand. Bis
ein Jäger mich weckt. Er macht sich wichtig als ich ihm erklärt habe wo ich die Grenze passierte. Da ich nun
schon mal auf bin mach ich mich halt wieder auf gen Weg. Ein kleines Kirchlein läd mich zum
Sonntagsgottesdienst ein. Mir gehen fast die Augen über als ich die Leute dort singen höre. Sie singen
mindestens vierstimmig und so gut und schön. Ich denke daran, dass ich gestern als ich los marschierte mir
vornahm heute in die Kirche zu gehen. Hätte aber nie geglaubt, dass das noch was wird. Sogar der nörgelnde
Jäger der mich weckte hat noch dazu beigetragen. So fasse ich nun einen Entschluss: Da ich bis jetzt nur
einen Tag ohne Gewitter hatte und ich langsam am Sinn meiner Mühen zweifele, können die hohen Gipfel
mich mal. Neues Ziel - heimatnah - Altlötting. !
So schleppe ich weiter meinen Rucksack über´s Gebirge und ertrage die täglichen Gewitter. Dabei
kommt mir irgendwann in den Sinn, wie HaPe schrieb, dass Santiago jeden so empfängt, wie es zu ihm passt.
Als ich es damals las war mir klar, das für mich nur ein Jugendgottesdienst mit Schlagzeug und Gitarren
passen würde. So schufte ich mich weiter gemeinsam mit meinen Schmerzen, meinem Ziel entgegen. Die
letzte Etappe durch das Flachland nervt besonders. Doch die Kirschen sind reif. Kein Baum ist vor mir sicher.
Das Kostet zwar Zeit, aber lecker, lecker, lecker … . Vier Kilometer vor Altötting duscht mich noch das letzte
Gewitter ab, und ich wundere mich, wie cool mich das lässt. Gegen 11Uhr marschiere ich im Wallfahrtsort ein,
und ich schaue gleich mal nach den Gottesdienst Zeiten. Gut, den um 10 hab ich Kirschen pflückender Weise
verpasst, und der nächste ist Nachmittag um drei. So setz ich mich auf eine Bank und schau glücklich dem
Treiben der Pilger zu. Seltsamerweise gehen immer mehr Leute in eine Kirche. Muss ich doch auch mal
schauen was da abgeht. Vorne am Seitenaltar scheint sich sowas wie ein Chor aufzubauen. Was bringen die
denn jetzt? Ein Schlagzeug! Das muss ich jetzt genauer wissen. Ja, um 12 feiern die Abiturenten ihren
Abschluss Gottesdienst, bestätigt mir ein freundlicher Herr. Das ist ja der Hammer. Und schon wieder - die
Lesung: Alles hat seine Zeit - wie wahr, denk ich mir! Das Evangelium: Die Vöglein imm Himmel … sie sähen
nicht, sie ernten nicht … kümmert Euch um Euer Himmelreich - wie wahr! Und jetzt predigt der Pfarrer noch
vom Ende eines langen Weges … jedes Wort scheint für mich gesprochen zu sein. Sch… mir kullern Tränen
über die Wangen. Ich bin losgegangen um mehr Klarheit über meinen Lebensweg zu erlangen, und erlebe
jetzt ein Wunder. Was Zufall? Glaubt Ihr, was Ihr wollt. Für mich ist das ein Wunder.
So, jetzt bin ich 22Tage unterwegs, um einen Bierbauch leichter, und um einige Erkenntnisse reifer. Ich
hab viel zu verstehen gelernt, doch warum ich jeden Tag ein Gewitter haben muss - obwohl 3 Tage wurde ich
verschont. Ah - jetzt dämmert´s :-) Gewitter ist gleich Angst - 3*7 ist gleich 21 - 6 Tage die Woche die Angst
überwinden, am Sonntag darf ich ruhn. Na dann viel Spass, Martin!